Auf den folgenden Seiten möchten wir Ihnen, als Leser, Betrachter und Liebhaber von Orientteppichen, einen Einblick in die Entstehung dieser Kunstwerke geben. Wir laden Sie ein, die verschiedenen Herkunftsregionen zu entdecken und Ihr Verständnis für Orientteppiche zu vertiefen. Unser Ziel ist es, Ihnen den Zugang zu dieser faszinierenden und oft fremden Formenwelt zu erleichtern.
Alle Texte stammen aus dem Buch “Antike Orientteppiche” von Peter Bausback, erschienen 1978 bei Klinkhardt & Biermann in Braunschweig. Bitte beachten Sie, dass das Buch im Jahr 1978 veröffentlicht wurde, was die damalige Rechtschreibung sowie heute mögliche Änderungen von Länder- oder Grenzverläufen sowie Jahres- bzw. Jahrhundertangaben und Bevölkerungszahlen erklärt.
Peter Bausback, Antike Orientteppiche, Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1978
Aus dem VORWORT
„Antike Orientteppiche - unter dieses Thema wurde der Inhalt des Buches gestellt. Dieser Leitbegriff umfasst eine Gruppe handgeknüpfter orientalischer Teppiche, die vor 1870 hergestellt wurden. Das Datum markiert die Einführung synthetischer Farben im Orient. Vor dieser Zeit waren die Knüpfer auf ihre traditionellen natürlichen Mittel zur Farbgewinnung angewiesen. Bis zu diesem Zeitabschnitt ist ebenfalls eine eigenständige Mustergestaltung festzustellen. Die Einflussnahme durch abendländische neuzeitliche Kulturen tritt nach diesem Zeitpunkt stark in Erscheinung. Das Jahr 1870 sollte daher stets, ohne Rücksicht auf die fortschreitende Zeit, als Fixpunkt zur Bezeichnung antiker Teppiche gewählt werden. Nach diesem Datum hergestellte orientalische Teppiche werden unter dem Gesamtbegriff ,,alt“ bis zur Zeit des 1. Weltkrieges zusammengefasst. Der Einzug der Anilinfarben und der westliche Einfluss auf die islamischen Muster vollzogen sich nicht kurzfristig, sondern erstreckten sich über mehrere Jahrzehnte. Die anfänglich verwendeten chemischen Farben waren nicht farbkonstant, sie veränderten sich durch den Sonneneinfluss und die traditionelle Teppichwäsche. Nach der Zeit des 1. Weltkrieges bemühte man sich, die ursprünglichen Muster beizubehalten und markante Motive der einzelnen Provenienzen fortzuführen. Teilweise lebte das Einfärben mit natürlichen Farbstoffen wieder auf, oder man war bemüht, den chemischen Farbstoff farbbeständig herzustellen. Es treten noch heute häufig Ver-wechslungen bewusst oder unbewusst - zwischen alten und antiken Orientteppichen auf. Da in den modernen Herstellungsverfahren Orientteppiche oft nach alten Musterbeispielen hergestellt werden, ist es mitunter schwierig, einen antiken Teppich von einem neuen zu unterscheiden. Durch moderne Waschmethoden können teilweise die unharmonischen, grellen Anilinfarben gemildert werden, so dass der Eindruck eines antiken Teppichs entsteht. Da der Wertbegriff stark vom Alter abhängig ist, werden oft moderne Alterungsmethoden angewandt, um die Qualität zu erhöhen. Ein Erkennungsmerkmal für künstlich gealterte Teppiche sind die Farben; sie besitzen nicht selten einen Grauschleier über dem Gesamtkolorit.
Peter Bausback
Mannheim, Oktober 1978